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Das Kaiserhuhn

Robert Brungert / 22. April 2022

Nicht nur bei Hofe beliebt

Seit dem 17. Jahrhundert ist die Steiermark für ihre vorzüglichen Hühner überregional bekannt. Wegen der Preise landeten diese bei den Betuchten und damit bei Hofe. Deswegen erlangten Steirer Hühner den Beinamen „Kaiserhuhn“. Demnach belegen historische Aufzeichnungen, dass zur Krönung Napoleons im Jahre 1804 bereits 50 Hühner und 150 Kapaune bestellt wurden. Letztere sind kastrierte Hähne, welche besonders schnell sehr viel zartes Fleisch ansetzen. Und genau dieses Kaiserhuhn wird derzeit wiederentdeckt, von privaten Haltern oder wegen der Preise im Delikatessenhandel.

Seit dem 14. Jahrhundert ist die Hühnerhaltung in der Steiermark urkundlich erwähnt, es gab sie vermutlich schon weit länger. Bereits die Römer etablierten immerhin das Wirtschaftshuhn in ihrem Einzugsgebiet. Diese einstigen Hühner entsprechen aber nicht dem Kaiserhuhn, es fehlt noch eine sehr wichtige Zutat – der Mais. Mit der Entdeckung der neuen Welt durch Christoph Kolumbus im Jahre 1492 wurde auch Mais entdeckt. Dieser gelangte sehr schnell nach Europa, ab 1525 ist der Anbau in Andalusien belegt, doch die Italiener erkannten das eigentliche Potenzial dieser neuen Agrarfrucht.

Wie von allein etablierte sich Mais sehr schnell in Regionen, in denen er besonders gut gedeiht. In Österreich wurde dadurch die Steiermark und in dieser das Sulmtal zur frühen Anbauregion für Mais. Hier passierte es von allein: Die Hühner weideten am Tag auf den höheren Wiesen und bekamen Mais als Kraftfutter. Über die Jahrzehnte passten sie sich immer weiter ihren Haltungsbedingungen an. Wegen der guten Fütterung wurden sie im Laufe der Zeit schwerer und setzen besonders schmackhaftes Fleisch an, wodurch dreimal höhere Preise bezahlt wurden.

Sulmtaler Huhn von Bodlaj

Das Steirer Huhn war bereits Kaiserhuhn

Vieles wurde nicht aufgezeichnet und wieder vergessen. Deswegen gilt das Steirer Huhn häufig als ausgestorben. Das stimmt so nicht, da es umbenannt wurde. Um 1905 wurde die schwere Linie des Steirer Huhnes abgetrennt und heißt heute Sulmtaler. Aus dem Steirer wurde das Altsteirer Huhn. Also das Huhn, wie es zuvor war mit der abgetrennten Weiterentwicklung zum Sulmtaler. Demnach teilen sich heute Altsteirer und Sulmtaler den Titel des Kaiserhuhnes.

Wichtig bleibt jedoch diese historische Haltungsmethode, um die einstige Fleischqualität zu erzielen. Doch mit dem dreifachen Preis ist es im Vergleich zu heutigen Masthybriden nicht getan, es ist eher der zehnfache. Deswegen laufen heute nur wenige Sulmtaler über die Weide und erhalten Mais, geschützt durch die Wortmarke „Sulmtaler, das Original“, vermarktet von der Sulmtaler Vermarktungs GmbH.

Konventionelle Masthybriden sind bereits nach fünf Wochen schlachtreif. Weidende Sulmtaler dürfen immerhin 28 bis 31 Wochen nicht nur leben, sondern auch ihr Leben genießen. Das geht halt nicht zum Discounter-Preis, Gourmets sind das gewohnt.

Dem Untergang nahe

Mehrfach waren die Kaiserhühner bereits dem Untergang nahe. Ab 1865 etablierten sich andere schwere Hühnerrassen in der Steiermark. Es war naheliegend, diese mit dem alten Steirer Huhn zu kreuzen. Damit wäre dieses jedoch untergegangen. Armin Arbeiter ist der Triebmotor für seinen Erhalt. Um 1900 war er der Vizepräsident des 1879 gegründeten „ersten steiermärkischen Geflügelzüchtervereins“ und organisierte die Zucht nach Rassestandard. Damit wurde auch die schwere Linie abgetrennt, die bereits 1914 auf tausenden kleinen Höfen das Einkommen aufbesserte.

Beide Weltkriege erschwerten die gezielte Zucht der Altsteirer und Sulmtaler. Als dann um 1960 die Hybrid-Kreuzungen praktisch alle alten Wirtschaftsrassen verdrängten, war es um diese Hühnerrassen wieder schlecht bestellt. Glücklicherweise hielten sich einige Bestände bei privaten Züchtern. Für beide Rassen fanden und finden sich wieder Züchter zusammen, welche diese Hühner nach Rassestandard optimieren und damit erhalten. Es wäre zu schade, wenn dieses uralte Kulturgut unterginge.

Altsteirer und Sulmtaler selber halten

Die Altsteirer Hennen erreichen bis 2,75, die Hähne bis 3,25 kg, der wildbraune Farbschlag ist der gängigste. Sulmtaler erscheinen meist weizenfarbig und erreichen mit den Hennen bis 3,5 und mit den Hähnen bis 4, als Masthühner bis 5,25 kg. Die Hähne beider Farbschläge haben einen roten Hals- und Sattelbehang auf schwarzem Gefieder.

Altsteirer sind bereits schwere Hühner. Dennoch sind selbst die Sulmtaler noch beweglich und können sogar sehr gut fliegen. Das machen sie aber dann, wenn sie es für notwendig halten und bleiben ansonsten lieber am Boden.

Weil diese Hühner den Freilauf auf Wiesen gewohnt sind und eine gewisse Größe mitbringen, gelten die friedlichen Hähne als wehrhaft. Wenn ein leichter Hühnerhabicht angreift, zieht dieser häufig ohne Beute wieder ab. Dennoch sind Deckung und ein sicherer Hühnerstall die bessere Versicherung für die Hennen, die sogar gut legen.

Wer den Hühnern einen großen Auslauf oder sogar Freilauf anbieten kann, braucht nur noch einen schützenden Hühnerstall und kann seine eigenen Altsteirer oder Sulmtaler halten. Wenn die Hennen brüten sollen, wären wildbraune Altsteirer oder brutwütige Leihhennen zu empfehlen. Wer die Hähne rupfen mag, hat sogar einen erstklassigen Braten und mehr Platz für eierlegende Hennen.